Beim Lockdown geht es auch den Karatekas darum, das Beste aus der jetzigen Situation zu machen.So absolvieren die Aktiven der DJK-Sportfreunde Reichenberg ihr Programm einfach online. Zwei besonders trainingsfleißige Geschwister-Paare erzählen von ihren Übungen im Wohnzimmer, großen Zielen und warmen Füßen.
Auch in den eigenen vier Wänden streifen sich die Karatesportler ihren typischen weißen Anzug, Gi genannt, über. Darüber hinaus schiebt Qendrese Bequiri (15) den Couchtisch zur Seite und nimmt zwischen Teppich und Parkett die Grundstellung ein. Mittels der App namens „Zoom Meetings“ trifft sich die Realschülerin mindestens zwei Mal pro Woche eine Stunde lang mit ihrer Karategruppe virtuell. Selbst vor neun Tagen, an ihrem 15. Geburtstag, schaltete sich die Neuntklässlerin per Handy pünktlich zu. „Mir macht das Trainieren Spaß, deshalb habe ich auch an diesem Tag gerne mitgemacht.“
Seit anderthalb Jahren erzielt Qendrese große Fortschritte und schätzt am Karatesport, „dass er fordert“. Zudem lerne man, sich im Ernstfall zu verteidigen. Als besonders geschickt zeigt sich die Orangegurt-Trägerin beim Einsatz ihrer Hände. Trainiert Qendrese im heimischen Wohnzimmer, schaut sich oft ihr kleiner Bruder Jeton Bequiri (8) etwas bei ihr ab. Dem Weißgelbgurt-Träger bereitet es nämlich „Spaß zu kämpfen“. Auch wenn die Geschwister daheim alle jeweils geforderten Übungen absolvieren können, finden sie doch: „In der Halle geht das Training besser, weil man mehr Platz hat.“ Und ihre jeweiligen Sportskameraden vermissen beide auch.
Nikita Bergheim (9) sieht das genauso und ergänzt: „Online funktioniert das Training zwar auch, aber die wichtigen Partnerübungen fallen weg.“ Seit bereits vier Jahren ist der Grundschüler in der Reichenberger Karatesparte aus gutem Grund aktiv. „Mir gefällt, alles über Abwehr und Angriff zu lernen.“ Da der Drittklässler bereits den Grüngurt trägt, verkündet er stolz: „Für mein Alter habe ich schon viele Erfahrungen gesammelt.“ Der Samen keimt, ein Pflänzchen ist zu sehen – mit diesen blumigen Worten erklären Karate-Profis Nikitas Gurtstufe.
Aufgrund des Lockdowns muss der Bub jetzt lernen, geduldig zu sein, bis erneut Wettkämpfe ausgetragen werden dürfen. An Meisterschaften nahm Nikita nämlich bereits erfolgreich teil. Ob daheim oder in der vereinseigenen Halle in Höckberg: Auf alle Fälle will Nikita seinem Kampfsport treu bleiben. Und wie viele junge Karatekas verfolgt er ein Ziel, nämlich „irgendwann den Schwarzgurt zu tragen“.
Mindestens dreimal pro Woche trainiert Nikita online. Zusätzlich macht er oft die zwei Trainings seines kleinen Bruders mit. Die Übungsstunden von Neuling und Weißgurt-Träger Matwei Bergheim (5) gehen nämlich denen seines großen Bruders voran. „Ich schaffe es, auch zwei Stunden hintereinander zu trainieren“, sagt Nikita. Beginnt dann sein eigentliches Treffen, zeigt er sich schon bestens aufgewärmt.
Zum Training platzieren die Brüder ihren Laptop auf einem Kissen auf der Couch, sodass sie das Gerät gut im Blick behalten. Pünktlich erscheint ihr Coach mitten auf dem Bildschirm, die anderen Aktiven zusätzlich in kleinen Quadraten am Rande. Natürlich sieht der Trainer auf seinem Bildschirm alle Aktiven. „In der Halle hat er aber eine bessere Übersicht, um uns zu korrigieren“, findet Nikita.
Solange der Lockdown gilt, hält sich der Nachwuchs weiter Zuhause fit, nötigenfalls auch den ganzen Dezember. Bei den Übungen im Wohnzimmer wird bei den Bergheim-Brüdern der Teppich auf dem gefliesten Boden zur Sportmatte. So fällt Nikita zu guter Letzt ein Vorteil auf, den das heimische Training mit sich bringt: „Barfuß ist es auf dem Teppich wärmer als auf dem Boden der Vereinshalle.“ – Herwig Slezak (zuerst erschienen in der Serie „Jung & bunt“ in der PNP PAN)
Karate daheim: Mitten im Wohnzimmer zwischen Teppich und Parkett nehmen Qendrese (links) und Jeton Bequiri die Grundstellung ein. Die Geschwister absolvieren ihr Training mittels Handy.
Um loszulegen, starten Nikita (links) und Matwei Bergheim pünktlich die App „Zoom Meetings“ auf dem Laptop. Sogleich erscheint ihr Reichenberger Coach Roland Hager groß am Bildschirm. – Fotos: Slezak